DFG-Projekt

Retrospektive Digitalisierung des historischen Kartenbestandes der Staats- und Universitätsbibliothek Bremen

Projektgeschichte

Vor dem Beginn des Projektes waren die historischen Karten der Bibliothek lediglich über einen alphabetisch angelegten Zettelkatalog verzeichnet, der teilweise auf einem im 19. Jahrhundert begonnenen, handgeschriebenen Bandkatalog basiert.
Im Jahr 1997 wurde daher mit der Umsetzung des Projektes "Retrospektive Digitalisierung des historischen Kartenbestandes der Staats- und Universitätsbibliothek Bremen" begonnen. Dieses Projekt wurde von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) im Rahmen des DFG-Förderprogramms "Retrospektive Digitalisierung von Bibliotheksbeständen" gefördert.
In der ersten im Jahr 1999 abgeschlossenen Projektphase wurde neben der Digitalisierung und Erschließung von 100 ausgewählten historischen Karten die Entwicklung eines Prototyps für die Recherche und Darstellung der Altkarten im Internet geleistet. Gleichfalls wurde die Bereitstellung einer CD-ROM-Version für die Einzelplatzanwendung mit den erforderlichen Erschließungsinstrumenten erprobt.
Aufbauend auf den Erfahrungen der ersten Phase wurde in der zweiten Projektphase der Gesamtbestand der historischen Karten der Staats- und Universitätsbibliothek Bremen digitalisiert. Die Webseiten des Kartenkatalogs wurden vollständig überarbeitet und um weitere Funktionalitäten erweitert. Vor allem die neu entwickelte geographische Suchfunktion ermöglicht eine visuelle Recherche nach historischen Karten anhand von Übersichtskarten. Eine Nachnutzung der im Rahmen des Projektes entwickelten Softwarekomponenten ist möglich.

Projektziel

Neben der elektronischen Katalogisierung des historischen Materials sind die Ziele des Projektes die Bereitstellung eines komfortablen und schnellen Direkt- und Mehrfachzugriffs auf den historischen Kartenbestand der Bibliothek und eine Verbesserung der Suchmöglichkeiten. Der Aufbau des Kartenkatalogs im Internet dient zudem der Erhaltung der historischen Karten und der Ausweitung des Nutzerkreises.



Inhalt und Durchführung des Projektes

Digitalisierung

Die historischen Kartenoriginale wurden mittels eines Hochleistungsscanners in einer Auflösung von ca. 300 dpi und in einer Farbtiefe von 24 Bit (True Color) eingescannt und als Dateien im TIFF-Format gespeichert. Aufgrund des guten Restaurierungszustands und der Anstrebung einer authentischen Wiedergabe der historischen Karten erfolgte keine zusätzliche digitale Aufbereitung des Kartenmaterials. Im Gegensatz zur ersten Projektphase erfolgte die Digitalisierung der restlichen 3.700 historischen Karten in den Räumlichkeiten der Staats- und Universitätsbibliothek Bremen mit dem Vorteil, dass keine Transport- und Versicherungskosten anfielen und eine mögliche Beschädigung durch den Transport der Karten ausgeschlossen werden konnte.

Datenaufbereitung

Für die Präsentation der historischen Karten im Internet wurde eine Aufbereitung der digitalen Daten durchgeführt. Zur Reduzierung der Datenmenge wurden die Dateien zunächst in eine Farbtiefe von 8 Bit konvertiert. Nach der Umwandlung in das speziell für die Software internet visor entwickelte AKF-Format wurden die Dateien durch den Einsatz eines LZW-Algorithmus komprimiert. Durch diese Datenaufbereitung gewährleisten wir insgesamt kurze Ladezeiten der Bilddateien bei zugleich sehr guter Bildqualität.

Thematische Suchfunktion

Eine verbale Suchanfrage in der Datenbank erfolgt durch die Eingabe eines Suchbegriffes zu "Titelstichwort", "Schlagwort", "Person" und/oder "Erscheinungsjahr" in die Eingabefelder sowie durch die Auswahl eines Maßstabsbereiches. Für die Suchoptionen "Titelstichwort", "Schlagwort" und "Person" ist zudem die Auswahl an vorgegebenen Suchbegriffen über einen alphabetischen Index möglich. Die Suchschlüssel sind beliebig miteinander kombinierbar. Pro Eingabefeld sollte jedoch nur ein Suchbegriff verwendet werden.

Geographische Suchfunktion

Die visualisierte Suche nach historischen Karten durch die Auswahl der betreffenden Bereiche auf aktuellen Übersichtskarten eröffnet neue hervorragende Recherchemöglichkeiten. Sie vereinfacht vor allem die Suche nach historischem Kartenmaterial, wo bibliothekarische Angaben, wie Titel oder Herausgeber nicht bekannt sind, und sie eignet sich ferner zum Herausfiltern sämtlicher Karten aus verschiedenen Epochen oder von verschiedenen Kartographen einer Region.
Zur Ermöglichung dieser geographischen Suchfunktion wurden weltumspannende digitale Übersichtskarten aus "The World Factbook" der CIA in das System integriert. Das Webdesign des Kartenkatalogs wurde entsprechend an den geographischen Einstieg in die Kartensuche angepasst. Zur Bereitstellung des geographischen Suchangebots wurden alle historischen Karten georeferenziert. Hierfür wurden im Rahmen der Erschließung des historischen Bestandes die vier Eckkoordinaten oder die Mittelpunktkoordinate der Karten ermittelt. Die Koordinaten beziehen sich stets auf das internationale Koordinatennetz mit dem Nullmeridian von Greenwich. Anhand eines neu entwickelten Verortungswerkzeuges und auf der Grundlage der erhobenen Daten erfolgte die anschließende Umsetzung bzw. Einbindung der historischen Karten in die geographische Suchoberfläche.

Aktuelle Ortsnamen

Der Aufbau eines Ortsnamenverzeichnisses mit der aktuellen Schreibweise der vorkommenden Orte wurde in Form einer Datenbank erstellt und in die geographische Suchfunktion integriert. Die visuelle Recherche nach historischen Karten wird durch die Anzeige der Lage eines gesuchten Ortes auf der Übersichtskarte unterstützt. Für eine Überlassung ihres umfangreichen Registers aktueller Ortsnamen vom "GEOnet Names Server" konnte die National Imagery and Mapping Agency (NIMA) gewonnen werden. Die Ortsnamen für die Vereinigten Staaten von Amerika wurden freundlicherweise vom US Census Bureau, United States Department of Commerence zur Verfügung gestellt.

Historische Ortsnamen

Eine Ortsnamendatei mit der historischen Schreibweise der Orte wurde aufgebaut, um eine zusätzliche Suche über historische Ortsnamen zu ermöglichen. Über das Eingabefeld bestimmt man entweder einen historischen Ortsnamen anhand der aktuellen Schreibweise oder ermittelt die aktuelle Schreibform eines historischen Ortsnamens.
Die Datenbank umfasst bislang die historischen Ortsnamen aus der "Cathedral Libraries Catalogue's list of Latin place names" und die Ortsnamen aus der "Latin Place Names database" der Harold B. Lee Library, Brigham Young University, Provo.

Multimedia

Etwa 20 ausgewählte historische Karten von Bremen, Bremerhaven und Nordwestdeutschland wurden unter der Verwendung verschiedener Materialien, wie Abbildungen, Ansichten, Text- und Tondokumente multimedial aufbereitet. Die Einbeziehung des begleitenden Materials dient der Erweiterung des Informationsgehaltes der Karten und ermöglicht die anschauliche und interaktive Präsentation historischer Zusammenhänge und der Stadtentwicklung von Bremen und Bremerhaven.

Erschließung

Die Karten wurden in der in der IKAR-Altkartendatenbank und im Verbundkatalog (GVK) durch die Erstellung von Titelaufnahmen erschlossen. Neben der Übernahme des Titels von der Vorlage wurden für diesen Bearbeitungsprozess die an der Herstellung der Karte beteiligten Personen recherchiert. Der Maßstab und die Größe der Karte wurden ermittelt und bedeutende kartographische Besonderheiten beschrieben.
Die Sacherschließung erfolgte auf Grundlage der festgelegten Schlagwörter der jeweiligen Datenbanken und beinhaltet auf lokaler Ebene die Bremer Fachsystematiken der allgemeinen und regionalen Geographie.

Service

Neben einem Ausdruck der Karte über die im Browser vorliegende Druckfunktion ermöglichen wir die Anzeige und das Herunterladen eines Vollbildes einer historischen Karte. Zur Zeit bieten wir diesen Service für unsere digitalen historischen Karten in einer Auflösung von 72 dpi im JPEG-Format an.

Nachnutzung

Die Nutzung der im Rahmen des Projektes entwickelten Softwarekomponenten wird in gleichgelagerten Vorhaben im öffentlichen Bereich von allen Projektpartnern ausdrücklich befürwortet. Folgende Module können kostenfrei nachgenutzt werden:

1. Instrument zur Verortung der historischen Karten
2. Geographische Suchoberfläche
3. Suchmaske der thematischen Recherche

Das Instrument zur Verortung der historischen Karten beruht auf einem speziell konfigurierten Datenimport, der u.a. die Kartengröße, die Eck- oder Mittelpunktkoordinaten und den Maßstab der Karten gesondert berücksichtigt, um die historischen Karten annähernd lagegetreu abbilden zu können.
Die geographische Suchoberfläche basiert auf der ‚professional'-Version des Produktes internet visor, dessen Lizenz bei der Firma megatel zu erwerben wäre. Dieses Modul ermöglicht es, die Umrisse der historischen Karten als Polygone in dem Kartenmaterial einzublenden. Zur Unterstützung der Kartensuche wurde eine Recherchemöglichkeit nach aktuellen Ortsnamen in den Kartenkatalog integriert. Als weltweite Übersichtskarten dient lizenzfreies Kartenmaterial. Selbstverständlich kann zusätzliches Kartenmaterial eingebunden werden, hier werden allerdings in der Regel zusätzliche Lizenz- und Bearbeitungskosten anfallen.
Die Suchmaske beruht auf einer Anpassung des Datenimports und -exports an die PICA-Datenbank und IKAR-Altkartendatenbank. Die entwickelte Software ist durch die Datenverarbeitung der Titelaufnahmen dieser beiden Datenbanken auf die besonderen Anforderungen von Bibliotheken abgestimmt.
Die Datenimplementierung und weitere Anpassung an bereits bestehende Systeme durch die Firma megatel wären kostenpflichtig. Die Bibliotheken oder Archive können diese Arbeiten aber auch selbst vornehmen, wenn sie technisch hierzu in der Lage sind. Für Rückfragen stehen Ihnen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Handschriftenlesesaals der Staats- und Universitätsbibliothek Bremen gerne zur Verfügung.